Überbestimmtes Gleichungssystem - Beispiel

12 Gleichgewichtsbedingungen für 9 unbekannte Kräfte

Gripzange Im Kapitel 6 des Lehrbuchs "Dankert/Dankert: Technische Mechanik" wird folgende Aufgabe formuliert:

Eine handelsübliche Gripzange ist durch die beiden Kräfte F belastet. Man bestimme für die in der Skizze angegebenen Abmessungen die Kraft FW, die auf das Werkstück aufgebracht wird.

Gegeben:  F .

Eine Besonderheit der Aufgabe besteht darin, dass das mechanische System nicht gelagert ist. Das ist auch nicht erforderlich, weil die beiden angreifenden Kräfte ein Gleichgewichtssystem bilden, so dass Gleichgewichtsbedingungen am Gesamtsystem nicht sinnvoll sind (sie würden nur bestätigen, dass es ein Gleichgewichtssystem ist).

Im Lehrbuch wird diese Aufgabe ausführlich diskutiert und auf verschiedenen Wegen gelöst (auch mit einigen geschickten Überlegungen per Handrechnung). Für die Aufbereitung der Aufgabe für die Computerrechnung wird die Zerlegung in vier Teilsysteme empfohlen, wobei die an den Gelenken zu übertragenen Kräfte konsequent durch ein Horizontal- und eine Vertikalkomponente repräsentiert werden.

Vier Teilsysteme

Die nebenstehende Skizze zeigt die vier Teilsysteme mit den an ihnen wirkenden Kräften. An jedem Teilsystem können 3 Gleichgewichtsbedingungen formuliert werden (insgesamt also 12), es gibt jedoch nur 9 unbekannte Kräfte. Dieser "Überschuss" an Gleichungen entspricht genau den 3 per Aufgabenstellung bereits erfüllten Gleichgewichtsbedingungen am Gesamtsystem.

Hier soll die Strategie verfolgt werden, alle 12 Gleichgewichtsbedingungen zu formulieren, um das entstehende System mit dem Programm "Überbestimmtes lineares Gleichungssystem" zu lösen. Auf diese Weise werden sehr effektive Kontrollen möglich.

An jedem Teilsystem werden eine Kraft-Gleichgewichtsbedingung in horizontaler Richtung, eine Kraft-Gleichgewichtsbedingung in vertikaler Richtung und eine Momenten-Gleichgewichtsbedingung formuliert. Die gegebene Kraft F taucht in allen Elementen auf der rechten Seite des Gleichungssystems auf und kann als gemeinsamer Faktor aus dem Vektor der rechten Seite herausgezogen werden. Das System mit den 12 Gleichungen sieht in Matrixform dann so aus:

12 Gleichungen für 9 Unbekannte

Nach dem Start des Programms "Überbestimmtes lineares Gleichungssystem" wird für das Eingabeschema "Matrixform" gewählt, und für die Anzahl der Gleichungen m wird 12, für die Anzahl der Unbekannten n wird 9 eingetragen:

Einstellung 12 Gleichungen für 9 Unbekannte

Nach Anklicken von "OK" ändert sich das Eingabeschema entsprechend, und das Gleichungssystem kann eingegeben werden. Nachfolgend sieht man, dass auch die Namen für die Unbekannten angepasst wurden, was die Interpretation der Ergebnisse erleichtert. Wenn die Eingabe komplett ist, wird "Gleichungssystem lösen" angeklickt, und der Bildschirm zeigt das Gleichungssystem und die Lösung:

Gleichungssystem und Ergebnis

Gleichungen 4, 5 und 6 bleiben unberücksichtigt Weil diese Berechnungen in jedem Fall fehleranfällig sind, kann auf Kontrollen nicht verzichtet werden. In diesem Fall bietet es sich an, ein bis drei Gleichungen nicht zu berücksichtigen, weil für die Anzahl der Unbekannten 9 Gleichungen genügen. Gleichungen werden nicht berücksichtigt, wenn das "Häkchen" vor der Gleichung entfernt wird. Der nebenstehend zu sehende Ausriss aus einem Bildschirm-Schappschuss zeigt, wie die Gleichungen 4, 5 und 6 für die Rechnung unberücksichtigt bleiben. Nach Anklicken von "Gleichungssystem lösen" muss wieder das gleiche Ergebnis erscheinen. Dies ist ein starkes Indiz für die Richtigkeit der Rechnung.

Hinweis: Man kann nicht einen beliebigen Satz von 3 Gleichungen unberücksichtigt lassen. Wenn man zum Beispiel die Gleichungen 1, 4 und 7 weglässt, dann ist für drei Teilsysteme das Gleichgewicht der Horizontalkräfte nicht mehr gegeben, und das verbleibende Gleichungssystem hat eine singuläre Koeffizientenmatrix.

Auswirkungen von Fehlern

Es soll noch gezeigt werden, wie sich Fehler in den Gleichungen auf das Ergebnis auswirken. Im Regelfall werden diese zunächst nicht bemerkt, denn das Programm rechnet die "für das falsche System richtigen Ergebnisse" aus. Erst durch Variation der für die Rechnung verwendeten Gleichungen werden Fehler sichtbar, weil die Ergebnisse nicht mehr übereinstimmen. Nachfolgend wird das mit einem Vorzeichenfehler in der letzten Gleichung demonstriert. Links sieht man die Rechnung mit allen 12 Gleichungen, rechts die Rechnung, wenn die 11. Gleichung nicht benutzt wird.

Rechnung mit 12 Gleichungen Rechnung mit 11 Gleichungen
Die Ergebnisse der beiden Rechnungen sind deutlich voneinander verschieden, wenn sich ein Fehler eingeschlichen hat.